1971 Studium der Veterinärmedizin Karl-Marx-Universität Leipzig, Abschluss: Tierarzt
1978 Promotion zum Dr.med.vet. an der Veterinärmedizinische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin
1989 Fachtierarztzuerkennung "Rind", Humbold Universität Berlin
1993 Fachtierarztzuerkennung "Fleischhygiene", Landestierärztekammer Thüringen
1996/97 Weiterbildung im Qualitätsmanagement, Prüfung und Abschluss zum Qualitätsmanager (QM) und Auditor der DGQ/Frankfurt/Main
2010 Zusatzbezeichnung "Homöopathie", Landestierärztekammer Thüringen
Die Zukunft der Tiermedizin liegt in der Kombination der Vorteile der Regulationsmedizin und der konventionellen Medizin. Tierärzte sollten in der Lage sein, die besten Optionen für eine optimale Gesundheitsfürsorge für das Tier anbieten zu können. Ob in eigener Praxis oder durch Überweisung an Fachkollegen.
Die Regulationsmedizin bietet eine hervorragende Möglichkeit, die Therapieform einer Praxis zu erweitern.
Die Anerkennung der Tiermedizin durch die Öffentlichkeit wird sich durch diese Bemühungen noch weiter verbessern.
Veterinärmediziner sind heute mehr denn je gefordert, sich den neuen diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen zu stellen und durch sie zu einem neuen medizinischen Verständnis von Krankheit und Gesundheit zu gelangen.
Homöopathie ist das von Samuel Hahnemann (1755-1843) entwickelte Therapieverfahren. Nach dem Ähnlichkeitsprinzip (Simileregel/Phänomenologie) werden nach einem vorgeschriebenen Verfahren potenzierte (verdünnt + geschüttelt oder verrieben) Arzneien therapeutisch individuell für das kranke Tier (oder eine Tiergruppe) eingesetzt. Homöopathie ist eine bedeutende Therapiemethode in der Regulationsmedizin.
Als Regulationsmedizin (Komplementärmedizin, Alternativmedizin) sind Behandlungmethoden und diagnostische Konzepte zu ver-stehen, die sich als Ergänzung zu den als Schulmedizin [1] bezeichneten Behandlungsmethoden verstehen.
Ganzheitliche Therapieverfahren in der Praxis verlangt die wenigste invasive Medizin anzuwenden!
Regulationsmedizin – Mehr als nur eine Alternative
Erweitertes Verständnis von Krankheit und Gesundheit
Jürgen Deeg, Artikel im "Deutschen Tierärzteblatt" im Februarheft 2021, erschienen
Deutsches Tierärzteblatt | 2021; 69 (2) 168 |Forum
Erweitertes Verständnis von Krankheit und Gesundheit
Veröffentlichung im DTBL/Februar 2021, S. 168 ff.
Jürgen Deeg
Veterinärmediziner sind heute mehr denn je gefordert, sich neuen diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen zu stellen und durch sie zu einem erweiterten medizinischen Verständnis von Krankheit und Gesundheit zu gelangen. Hier sollen die Möglichkeiten der Regulationsmedizin kurz vorgestellt und auf die Homöopathie näher eingegangen werden.
Als Regulationsmedizin sind Behandlungsmethoden und diagnostische Konzepte zu verstehen, die sich als Ergänzung zu wissenschaftlich begründeten Behandlungsmethoden verstehen, wie sie im Medizin- und Psychologiestudium gelehrt werden. Letztere werden in diesem Sinne zur Abgrenzung auch als Schulmedizin [1] bezeichnet.
Ist die Regulationsmedizin nur eine Scheinmedizin mit Placeboeffekt, wie viele Kritiker behaupten? Aktuelle Studien belegen das Gegenteil.
Hildegard von Bingens Lehre von einer „Ganzheitlichen Medizin“, die neben Pflanzenheilkunde auch auf gesunder Ernährung, Lebensführung und Spiritualität basiert, konnten schon im 12. Jahrhundert viele selbst hoch gebildete Zeitgenossen nicht folgen. Ihre Werke „Physica“ (Buch der Naturkunde) und „“Causae et Curae“ (Buch der Ursachen und der Behandlung von Krankheiten) gelten mittlerweile als Klassiker der Naturheilkunde, als therapeutische Kompendien, die viele der heute praktizierten regulationsmedizinischen Therapien inspiriert haben.
Die Regulationsmedizin in der Tierarztpraxis
„Die Philosophien eines Zeitalters erscheinen dem Nächsten absurd, und was gestern verrückt war, erscheint morgen weise.“ (Sir William Osler, Aequanimitas)[1]
Die Regulationsmedizin ist im Kontext der „Ganzheitlichen Medizin“ zu verstehen und anzuwenden. Der Begriff „Holistische Medizin“ kennzeichnet dies in ihrem Zusammenhang, also als ein Heilsystem, das Diagnose und Behandlung einer Erkrankung immer im Kontext des gesamten Patienten betrachtet. Ganzheitliche Systeme befassen sich nicht nur mit einer Krankheitssensität, also einer eigenständigen Krankheit, so wie es z. B. die Chirurgie tut. Nach dem New American Dictionary ist Holismus „die Theorie, dass die Realität aus organischen oder vereinten Ganzheiten besteht, die mehr als die Summe ihrer Einzelbestanteile sind“. „Ganzheitliche Veterinärmedizin“ ist der ganzheitliche Ansatz zur Gesundheitspflege, der alle alternativen und konventionellen Formen der Diagnostik und Therapie umfasst.
Nach der American Veterinary Medical Association beinhaltet die Ganzheitliche Veterinärmedizin die Prinzipien der Akupunktur, Akuttherapie, Phytotherapie, Chiropraxis,
Osteopathie, Massagetherapie, Ernährungstherapie Physiotherapie und Homöopathie sowie der konventionellen Therapie, der Chirurgie und der Zahnmedizin [in 2].
Die meisten medizinischen Systeme arbeiten nach Prinzipien zur Behandlung einer Krankheit, die sie als „Feind“ zu bekämpfen haben. Ganzheitliche Systeme befassen sich nicht nur mit einer Krankheitsintensität, also einer eigenständigen Krankheit. Die einfachste Beschreibung der „Ganzheitlichen Medizin“ definiert sie als ein Heilsystem, das Diagnose und Behandlung einer Erkrankung immer im Kontext des gesamten Patienten sieht, also
· in Verbindung mit dem allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten und
· dem Vorliegen anderer Erkrankungen und körperlicher wie geistiger Umwelteinflüsse.
Die Ganzheitliche Medizin konzentriert sich auf die Wiederherstellung der physiologischen Abwehrsysteme und der Homöostase. Dies wird mit der Aussage beschrieben, „den Körper lehren, sich selbst zu heilen“. Akupunktur und Homöopathie im Speziellen versuchen, die Energien des Körpers, die durch Krankheit beeinflusst werden, zu mobilisieren, um Heilung zu erzielen bzw. um eine Heilung einzuleiten.
Integration der Regulationsmedizin in die konventionelle Praxis
„Tierärzte sollten in alternativen Spezialisierungen fortgebildet sein, um den Anspruch an die Ganzheitliche Veterinärmedizin erfüllen zu können“. (Auszug aus der Definition der Vereinigung Amerikanischer Tierärzteschaft [in 2]).
Es gibt viele Wege, die Regulationsmedizin in eine konventionelle Praxis zu integrieren. Jedoch müssen Tierärzte eine professionelle weiterführende Ausbildung abschließen, bevor sie die Methoden der Regulationsmedizin in ihre Praxis einschließen. Mit der Eingliederung der Regulationsmedizin in eine konventionelle Praxis müssen Tierbesitzer und Mitarbeitende über die Grundregeln dieser Therapien, ihre Indikationen, Grenzen und die Philosophie informiert und aufgeklärt werden. Eine solche Aufklärung kann z. B. über eine Informationsbroschüre, Videos, Plakate und natürlich mündliche Informationen erfolgen.
Sollte der Tierarzt sich entscheiden, eine reine alternativmedizinische Praxis zu betreiben, sollte er sich dennoch bemühen, im konventionellen Bereich der Tiermedizin auf dem Laufenden zu bleiben. Das ist notwendig, um seine Patienten auch immer zu der jeweils besten Behandlungsmöglichkeit beraten zu können.
Eingliederung in die Praxis
Meistens wird man sich auf eine Methode der Regulationsmedizin beschränken. Aber auch sich ergänzende Praktiken, z. B. Akupunktur und Phytotherapie, sind eine gute Möglichkeit zur Integration dieses Behandlungskonzepts in die konventionelle Praxis.
Die diagnostische Untersuchung
Wie in der konventionellen Medizin ist eine umfassende Anamnese auch in der Regulationsmedizin entscheidend. Neben der konventionellen Anamnese empfiehlt sich die Ausarbeitung eines Fragebogens, der auf die jeweilige Therapieform der Regulationsmedizin eingeht. Die Fragebögen für Homöopathie und Akupunktur sind sehr detailliert und gehen auch auf Reaktionen der Umwelt und dort auf Verbesserungen und Verschlechterungen ein. Umweltverhältnisse sind hier u. a. Wetter, Nahrungspräferenzen und soziales Verhalten gegenüber anderen Tieren oder Futterallergien.
Therapeutische Möglichkeiten
Nicht alle Therapieformen sind untereinander kompatibel, einige neutralisieren sich auch. Die Therapieformen Akupunktur, chinesische Kräutertherapie, Ernährungstherapie, Akupressur, bestimmte Arten der Physiotherapie (Massagen) werden seit Hunderten von Jahren gemeinsam eingesetzt. Akupunktur und Chiropraxis ergänzen sich ebenfalls sehr gut.
Ernährung und Ernährungszusätze
Ernährung und Ernährungszusätze stellen die einfachsten Ansätze zur Eingliederung der Methoden der Regulationsmedizin dar. Hier stehen individuelle Futtermittelempfehlungen der Tierärzte für die Tiergesundheit bei individuellen Gesundheitsstörungen im Fokus. Dazu sind immer qualitativ hochwertige Futtermittelzusätze*, wie Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, im Sinne einer ganzheitlich orientierten Tierarztpraxis therapeutisch einzusetzen.
*Orthomolekulare Medizin ist die Bereitstellung und Verabreichung von Nährstoffen über das Minimalangebot der Nährstoffe hinaus.
Phytotherapie
Phytotherapie kann ebenfalls leicht in die konventionelle Tierarztpraxis eingegliedert werden. Auch hier sollte an die Erarbeitung einer Broschüre gedacht werden, die den Einsatz der Phytotherapie und ihre Wirkungsprinzipien beschreibt. Die Schulung der Mitarbeitenden in der Praxis ist für diese Therapieform zu empfehlen.
Akupunktur und Chiropraxis
Nach Weiterbildung des Tierarztes auf den Gebieten der Akupunktur und Chiropraxis eignen sie sich sehr gut zur Integration in die konventionelle Praxis, ggf. in speziellen Sprechzeiten. Diese Therapien können sowohl vor als auch nach der konventionellen Behandlung eingesetzt werden. Akupunktur eignet sich sehr gut für die Behandlung von muskuloskelettalen, gastrointestinalen, neurologischen, dermatologischen, reproduktiven, respiratorischen und kardiologischen Erkrankungen. Chiropraxis wird ebenfalls in diesen Bereichen eingesetzt, kommt aber hauptsächlich bei muskuloskelettalen Störungen zur Anwendung.
Physiotherapie, Niedrigenergielaser und elektromagnetische Therapie
Diese Therapieformen können problemlos als Zusatz zur konventionellen Praxis eingesetzt werden. Sie können Teil sein eines umfassenden Rehabilitationsprogramms für die postoperative Behandlung, einer Behandlung geriatrischer Patienten und als Schwimmtherapie, Hydrotherapie oder Massage sowie zum Muskelaufbau angeboten werden.
Geriatrische Medizin
Sehr gut eignen sich Regulationstherapien zur Behandlung geriatrischer Patienten, die einen immer größeren Anteil unserer Patienten ausmachen.
Homöopathie
Die Eingliederung der Homöopathie in den Ablauf einer konventionellen Praxis ist im Vergleich zu den anderen alternativen Therapieformen besonders schwierig. Die Grundprinzipien der Homöopathie laufen der Philosophie der konventionellen Medizin in vielen Punkten entgegen. Da homöopathische Arzneimittel in falschen Verdünnungen auch toxisch wirken können, sollte Homöopathie nur von entsprechend ausgebildeten Tierärzten angewendet werden. In der Klassischen Homöopathie ist eine ausführliche Anamnese absolut notwendig. Es muss auf homöopathische Krankheitsbilder und Konstitutionen eingegangen werden. Daher bietet sich hierfür eher die Form einer Bestellpraxis oder Hausbesuche an.
Wissenschaftliche alternative Medizin: die Homöopathie
Während die konventionelle Entwicklung von Medikamenten auf Forschung beruht, die sich dann der medizinischen Praxis stellen muss, ist die Homöopathie in erster Linie eine erfolgreiche medizinische Praxis, die sich der wissenschaftlichen Forschung stellen muss.
Die Wissenschaftliche Gesellschaft für Homöopathie in Deutschland hat Ende Mai 2016 einen 56-seitigen Forschungsreader vorgelegt [3]. Darin heißt es: „In diesem Bericht zum Stand der Homöopathie-Forschung werden die Forschungsbereiche Versorgungsforschung, randomisierte kontrollierte klinische Studien, Metaanalysen und Grundlagenforschung zusammenfassend dargestellt“. Im Vorwort kommen die Wissenschaftler und Ärzte zu einer klaren Aussage: „Eine zusammenfassende Betrachtung klinischer Forschungsdaten belegt hinreichend einen therapeutischen Nutzen der homöopathischen Behandlung. Die Ergebnisse zahlreicher Placebo-kontrollierter Studien sowie Experimente aus der Grundlagenforschung sprechen darüber hinaus für eine spezifische Wirkung potenzierter Arzneimittel“.
Es gibt eine Vielzahl von positiven randomisierten klinischen Studien, die eine Überlegenheit der Homöopathie gegenüber Placebo zeigen. Auch wenn man nur die methodisch hochwertigen Placebo-kontrollierten Studien zur individualisierenden Homöopathie herausgreift, zeigt sich ein positives Ergebnis. Vier von fünf Metaanalysen (systematische Übersichtsarbeiten, die auf Basis von Originaldaten eine zusammenfassende Wirksamkeit statistisch ermitteln) zeigen eine Überlegenheit der Homöopathie als Therapiesystem gegenüber Placebo. Die neueste Metaanalyse von Mathie et al. [4] zeigt auch nach Cochrane-Kriterien ein positives Ergebnis für individualisierte Homöopathie: Angewendet unter Alltagsbedingungen in der Praxis (Versorgungsforschung, [5]) wird in den meisten Studien konsistent eine Verbesserung von Beschwerden und Lebensqualität durch homöopathische Arzneimittel berichtet.
Beweisen lässt sich „die Homöopathie“ ebenso wenig wie „die konventionelle Pharmakologie“. Beweisen, oder genauer wissenschaftlich belegen, lassen sich immer nur einzelne Postulate – und selbst dabei sind Einschränkungen notwendig. Tatsächlich gibt es in der klinischen Forschung keine einzige Studie, die etwas zweifelsfrei belegt. Der methodisch bedingte Zweifel wird als P-Wert angegeben und kann auch durch Metaanalysen nur reduziert Beweise vorlegen. Beweise im strengen Sinne des Wortes gibt es in der empirischen Forschung nicht. Beweise gibt es nur in der Mathematik und der formalen Logik. In der Forschung gibt es grundsätzlich immer nur Hinweise, deutliche Hinweise oder Belege – und es gibt eine Verständigung darüber, welche Belege als hinreichend betrachtet werden.
Nach der o. g. Metaanalyse [4], zeigt die Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Daten eine klinische Wirksamkeit der Homöopathie und spricht für eine spezifische Arzneiwirkung. In dem Bericht wird geschlussfolgert, dass der therapeutische Nutzen der homöopathischen Behandlung als Gesamtkonzept (effectiveness) hinreichend belegt ist. Darüber hinaus wird eine spezifische Wirksamkeit (efficacy) von Hochpotenzen in vielen klinischen Studien und Experimenten aus der Grundlagenforschung gezeigt. Um den genauen Wirkmechanismus besser zu verstehen, ist jedoch weitere Forschung notwendig.
Die Kritik in der endlosen Homöopathiedebatte
Die Homöopathieforschung
Homöopathische Forschungen gibt es erst seit kurzer Zeit, daher existieren noch nicht sehr viele Studien. Dennoch sind wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit vorhanden. 2014 wurden 189 randomisierte (also mit Vergleichsgruppen arbeitende), kontrollierte Studien zur Homöopathie bei 100 verschiedenen Erkrankungen durchgeführt und in Zeitschriften mit peer-review (wissenschaftlich bestmöglich begutachtet) veröffentlicht[[10]. Von diesen 189 „Randomized Controlled Trials“ (RCTs) waren 104 Studien Placebo-kontrolliert. Eine Metaanalyse dieser Veröffentlichungen ergab folgendes Ergebnis [6]:
- 41 Prozent der Studien bestätigten die Wirksamkeit der Homöopathie
- in 5 Prozent der Studien war keine Wirksamkeit eingetreten
- 54 Prozent der Studien waren nicht eindeutig, d. h. die Ergebnisse ließen sich nicht eindeutig als mit einem therapeutischen Nutzen interpretieren
Wirksamkeit - Globuli und nun?
In der Homöopathie gilt das Simileprinzip: „Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden“. Demnach löst die ursprüngliche, unverdünnte Grundsubstanz eines Stoffes bei einem Gesunden ähnliche Symptome aus, wie die, an denen der Patient leidet.
Die Wirkstoffe der homöopathischen Arzneimittel sind in den Ursubstanzen, auch Urtinkturen genannt, und in Niedrigpotenzen analytisch nachweisbar. Beim Potenzieren (Verdünnen und Zuführen von mechanischer Energie durch das Verschütteln oder Verreiben) werden die homöopathischen Wirkstoffe übertragen. Erst in Lösungen, die über den so genannten Schwellenwert der Avogadroschen Zahl (D 23) hinaus verdünnt sind, ist rein technisch kein Molekül des Ursprungstoffs mehr zu finden.
Zur Frage des Wirkmechanismus gibt es mehrere Hypothesen, aber noch keine abschließende Erklärung; wahrscheinlich beruht die Wirkung eher auf einer physikalischen als auf einer chemischen Grundlage [7].
Experimentelle Studien konnten zeigen, dass hochverdünnte homöopathische Arzneimittel biologische Wirkungen aufweisen, die nicht feststellbar wären, wenn es sich um Wasser oder Zuckerkügelchen handeln würde [3,8]. Laborversuche zeigten, dass auch homöopathisch aufbereitetes, also potenziertes, Histamin die Histaminausschüttung aus basophilen Granulozyten beeinflussen kann. Dies war in diversen Versuchen reproduzierbar und wurde in 23 von 28 wissenschaftlichen Veröffentlichungen beschrieben [7].
Ein weiteres Experiment, das die Wirksamkeit von Hochpotenzen zeigte, ist die Verabreichung von homöopathisch verändertem Thyroxin an Kaulquappen. Da Thyroxin bei Amphibien die Metamorphose stimuliert, reagierten die Kaulquappen, entsprechend dem homöopathischen Prinzip der Umkehrwirkung, im Versuch auf das potenzierte Hormon mit einer verlangsamten Entwicklung zu Fröschen. Auch eine langjährige unabhängige Metaanalyse von Versuchen zeigte, dass homöopathisch aufbereitetes Thyroxin die Metamorphose reproduzierbar hemmt. Forscher aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden beobachteten diesen Effekt ebenfalls.
Die Belastbarkeit der Forschungsmodelle zum Nachweis der Wirksamkeit von homöopathischen Arzneimitteln war bisher aber nicht ausreichend und die Reproduzierbarkeit nur eingeschränkt möglich. Es scheint aber eine Übertragung von Informationen des Ausgangsmaterials durch die bei der Herstellung angewendete physikalische Methode des Verschüttelns bzw. Verreibens auf die Wasser-Alkohol-Mischung möglich zu sein. Diese Annahme wird dadurch unterstützt, dass unverschüttelte Verdünnungen unwirksam sind, verschüttelte Verdünnungen dagegen biologische Wirkungen auslösen können [9].
Placeboeffekt?
Eine häufig geäußerte Kritik ist, dass die Wirkung homöopathischer Arzneimittel auf dem Placeboeffekt beruhe (aus dem lat. „ich werde gefallen“) und der Einsatz unarzneilicher Globuli als Scheinarznei bei Menschen eine Heilung herbeiführen würde. Doch ist nicht eher davon auszugehen, dass bei jeder Medikation ein gewisser Placeboeffekt auftritt? Und was ist dann aber mit Kindern und Tieren, die bekanntlich nicht mit dem Bewusstsein reagieren, aber durch Homöopathie geheilt werden?
Die Behauptung, wonach die Wirkung der Homöopathie eine reine Placebowirkung wäre, wird durch wissenschaftliche Erkenntnisse nicht gestützt. Im Gegenteil, es gibt Fakten, die belegen, dass die Wirkung homöopathischer Arzneimittel deutlich mehr ist als nur ein Placeboeffekt:
- Homöopathische Arzneimittel haben in Laborexperimenten Wirkungen gezeigt, es wurden u. a. Effekte an weißen Blutkörperchen, Fröschen (s. o.) und Weizenkeimlingen festgestellt [9].
- Wie oben erwähnt, sind Effekte bei Tieren bestätigt, da dort routinemäßig bei Nutztieren und Kleintiere, sogar aus eigner Erfahrung bei Vögeln und Reptilien therapeutische Effekte sichtbar sind. Eine qualitativ hochwertige Studie zeigte, dass der Einsatz von Homöopathie den durch Escherischia coli bei Ferkeln häufig ausgelösten Durchfall verhindern kann [7]. (Damit könnte ein großes Problem in der Massentierhaltung auf verträgliche Weise gelöst werden [8]).
Schulmedizin versus Homöopathie
Es gibt Studien, die die Wirksamkeit von Homöopathie und Schulmedizin miteinander vergleichen. Diese Studien ergaben ein gleiches und in einigen Fällen sogar ein besseres Ergebnis der Homöopathie gegenüber der Schulmedizin. Beispielhaft sei eine Studie zur homöopathischen Behandlung von Depressionen erwähnt: In dieser randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie wurde die Wirksamkeit einer homöopathischen Therapie für die Behandlung mittelschwerer bis schwerer Depressionen bei Frauen in den Wechseljahren mit der des Antidepressivums Fluoxetin (einem chemischen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) verglichen. Sowohl die schulmedizinische als auch die homöopathische Behandlung zeigte eine signifikant bessere Wirksamkeit im Vergleich zum Placebo. Darüber hinaus führte die homöopathische Behandlung im Vergleich zu Fluoxetin zu einer deutlicheren Besserung der depressiven Symptome und linderte außerdem die Wechseljahresbeschwerden der Patientinnen, was mit Fluoxetin nicht erreicht wurde.
Ein weiteres Beispiel lieferte eine internationale, multizentrische Studie zu Infektionen der oberen Atemwege. Danach war die medizinische Erstversorgung akuter Beschwerden der oberen Atemwege und Ohren mit Homöopathie der schulmedizinischen Behandlung nicht unterlegen [8].
Weitere Studien aus vielen Ländern Europas und den USA belegen die Überlegenheit bzw. ähnliche Therapiererfolge der Homöopathie [8].
Homöopathische Therapie und der Wirkungsnachweis
Wie bereits dargestellt ist die Wirksamkeit der Homöopathie in vielen Studien belegt worden. Zudem gibt der jahrzehntelange Erfolg im Einsatz an Millionen von Patienten keinerlei Anlass, an dieser Wirksamkeit zu zweifeln. Das Wissen darüber wie ein Medikament wirkt, war noch nie Voraussetzung für seine Anwendung. Acetylsalicylsäure (ASS) ist beispielsweise eines der meistgenutzten Medikamente weltweit [9] und dabei war es über 70 Jahre im Einsatz, bevor 1971 sein Wirkmechanismus aufgeklärt wurde.
Die Homöopathie blickt auf eine lange Geschichte der traditionellen Anwendung zurück. Dies hat dazu geführt, dass das klinische Verständnis dafür, was homöopathische Arzneimittel bewirken können, dem theoretischen Wissen darüber, wie diese Mittel biologisch wirken, weit voraus ist.
Wenn ein Phänomen beobachtet wird, das anhand des gegenwärtigen Wissensstands nicht erklärt werden kann, so wird es nicht als unwissenschaftlich abgetan, nur weil es (noch) nicht verstanden wird, sondern dies löst gewöhnlich weitere wissenschaftliche Untersuchungen aus.
Wissenschaft und Homöopathie
Es gibt nicht nur viele Wissenschaftler, die die Homöopathie als Heilmethode für möglich halten [8]. Etliche von ihnen beforschen die Homöopathie intensiv, um z. B. den zugrunde liegenden Wirkmechanismus aufzuspüren. Einer von ihnen ist Professor Luc Montagnier, der 2008 für seine Beteiligung an der Entdeckung des HI-Virus mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Er sagte in einem Interview: „Hohe Verdünnungen von Etwas sind nichts. Es sind Wasserstrukturen, die die ursprünglichen Moleküle nachbilden“ [9].
Ausblick
Die Zukunft der Tiermedizin liegt in der Kombination der Vorteile der Regulationsmedizin und der konventionellen Medizin. Denn Tierärzte sind nach entsprechender Zusatzausbildung in Kombination mit dem vorhandenen schulmedizinischen Wissen im Besonderen in der Lage, die besten Optionen für eine optimale Gesundheitsfürsorge für das Tier anbieten zu können.
Die Regulationsmedizin bietet außerdem eine hervorragende Möglichkeit, die Therapieform einer Praxis zu erweitern. Die Anerkennung der Tiermedizin durch die Öffentlichkeit würde sich durch diese Bemühungen noch weiter verbessern.
Literatur:
[1] https://flexikon.doccheck.com/de/Schulmedizin
[2] Allen M. Schoen et.al. (2004): Naturheilverfahren in der Tiermedizin – Grundlagen und Praxis der Klein- und Großtierbehandlung. Verlag Elsevier
[3] Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie (2016): Der aktuelle Stand der Forschung zur Homöopathie. https://www.wisshom.de/whwp/wp- content/uploads/2019/11/forschungsreader_2016.pdf
[4] Mathie RT, Lloyd SM, Legg LA, Clausen J, Moss S, Davidson JR, Ford I (2014): Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Systematic Reviews 3: 142, doi:10.1186/2046- 4053-3-142.
[5] Teut M (2016): Versorgungsforschung zur Homöopathie. in [3]
[6] von Ammon K, Torchetti L, Frei-Erb M (2016): Ergebnisse von Original-RCTs mit individueller Homöopathie und Hochpotenzen im Vergleich zu Placebo und Standard- Therapien. in [3]
[7] Belon P, Cumps J, Ennis M, Mannaioni PF, Roberfroid M, Sainte-Laudy J, et al. (2004): Histamine dilutions modulate basophil activation. Inflamm Res. 53:181–188 in Baumgartner S (2016): Stand der Grundlagenforschung in der Homöopathie. in [3]
[9] Behnke J (2016): Meta-Analysen in der klinischen Forschung zur Homöopathie. in [3]
[10] P. Weiermayer, M. Frass, T. Peinbauer, L. Ellinger , Evidenzbasierte Veterinär- Homöopathie und ihre mögliche Bedeutung für die Bekämpfung der Antibiotikaresistenzproblematik – ein Überblick
Verfasser: Dr. med.vet. Jürgen Deeg
Zusatzbezeichnung Homöopathie Fachtierarzt Rind , Fachtierarzt Fleischhygiene, QM der DGQ/Frankfurt/Main Dozent an Fort-und Weiterbildungseinrichtungen in Deutschland; Dozent am „Hahnemann Zentrum“ Meissen; Fortbildungen Tierärzte/Studierende
[1] Sir William Osler: Kanadischer Mediziner, Physiologe und Medizinhistoriker. Um die Jahrhundertwende war er der bekannteste Mediziner im englischsprachigen Raum, auch heute wird er wegen seiner bahnbrechenden Lehrmethoden häufig als Vater der modernen Medizin bezeichnet.